Trauer um Jörg Schmidt-Wottrich

Wir trauern um unseren langjährigen Kollegen, Partner und Freund Jörg Schmidt-Wottrich, der am 23. Juli 2022 plötzlich und unerwartet verstorben ist.

Neue Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den sog. Altanschließern

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Beschluss vom 12.04.2022 (1 BvR 798/19 und 1 BvR 2894/19) eine weitere Entscheidung getroffen, die insbesondere die Beitragserhebung gegenüber den sog. Altanschließern betrifft. Es geht um die Frage, ob die Erhebung eines Anschlussbeitrags durch einen Zweckverband gegenüber solchen Eigentümern zulässig ist, deren Grundstücke bereits vor dem Beitritt der Gemeinde zum Zweckverband bzw. vor der Gründung des Zweckverbandes an eine zentrale öffentliche Anlage der Wasserversorgung bzw. Abwasserbeseitigung angeschlossen waren. Die Verwaltungsgerichte im Land Brandenburg und das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg waren insoweit der Auffassung, dass durch die Gründung eines Zweckverbandes oder durch eine wesentliche Erweiterung der Einrichtung eine neue öffentliche Einrichtung entsteht, für die auch die Beitragspflicht neu entsteht. Gegen entsprechende Entscheidungen der Gerichte wurden Verfassungsbeschwerden eingelegt, die jetzt erfolgreich waren. Das Bundesverfassungsgericht sieht dann einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes für gegeben an, wenn die Beitragsansprüche der Gemeinden als frühere Aufgabenträger (hypothetisch) verjährt waren. Dann bleibt der Grundstückseigentümer in seinem Vertrauen, zu solchen Anschlussbeiträgen nicht mehr herangezogen zu werden, auch dann geschützt, wenn in Folge eines Beitritts einer Gemeinde zu einem Zweckverband oder durch die Gründung eines Zweckverbandes eine neue öffentliche Einrichtung entsteht. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ist am 31.05.2022 ebenso wie eine dazugehörige Pressemitteilung veröffentlicht worden, die unter www.bundesverfassungsgericht.de abrufbar sind.

Aktueller Hinweis, Oktober 2021

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 06.10.2021 zu einem sog. Altanschließerfall des WAZ „Nieplitz“, der von SWKH Rechtsanwälte vertreten wird, die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg aus Oktober 2019 aufgehoben und an dieses zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. In seiner Pressemitteilung vom 07.10.2021 äußert sich das BVerwG zum Fall wie folgt: „Der Grundsatz des Vertrauensschutzes gilt auch gegenüber dem neuen Träger einer öffentlichen Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute in zwei Verfahren aus Brandenburg und Sachsen-Anhalt entschieden. Die Klägerin des Verfahrens 9 C 9.20 ist Eigentümerin eines bereits am 3. Oktober 1990 an die damalige Schmutzwasserbeseitigungsanlage angeschlossenen Grundstücks in Seddiner See (Brandenburg). Anfang der 1990er Jahre ersetzten die Gemeinde Seddiner See und die Vorgängergemeinden der heutigen Stadt Beelitz ihre Kläranlagen durch eine gemeinsam betriebene zentrale Kläranlage. Die erste Beitragssatzung der Gemeinde Seddiner See wurde 1994 bekannt gemacht. Beiträge wurden für das Grundstück der Klägerin nicht erhoben. Zum 1. Januar 2006 gründeten die Gemeinde Seddiner See und die Stadt Beelitz den Wasser- und Abwasserzweckverband "Nieplitz", der die Schmutzwasserbeseitigungsanlage im Wesentlichen unverändert fortführte. 2013 setzte der beklagte Wasserverband für das Grundstück der Klägerin einen Anschlussbeitrag fest. Das Verwaltungsgericht hob den Beitragsbescheid mit der Begründung auf, es verstoße gegen den Gleichheitssatz, dass der Beklagte gezahlte, nicht aber - wie im Falle der Klägerin - hypothetisch festsetzungsverjährte Herstellungsbeiträge für die früheren gemeindlichen Einrichtungen auf den Anschlussbeitrag anrechne. Im Berufungsverfahren änderte das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil und wies die Klage ab. Es ging davon aus, dass hypothetisch festsetzungsverjährte Beiträge weder aus Gleichheits- noch aus Vertrauensschutzgründen anzurechnen seien. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Berufungsentscheidung wegen einer Verletzung des bundesverfassungsrechtlichen Grundsatzes des Vertrauensschutzes und des Gleichheitssatzes aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes gilt auch bei einem Wechsel des Einrichtungsträgers. Eine Beitragserhebung durch den neuen Einrichtungsträger ist mit diesem Grundsatz nicht vereinbar, soweit sie sich auf Herstellungsaufwand bezieht, für den der Beitragspflichtige durch den früheren Einrichtungsträger nach der in Brandenburg bis zum 31. Januar 2004 geltenden Rechtslage wegen hypothetischer Festsetzungsverjährung nicht mehr zu Beiträgen hätte herangezogen werden können. Soweit der Beklagte gezahlte, nicht aber hypothetisch festsetzungsverjährte Beiträge für die frühere Einrichtung angerechnet hat, verstößt dies außerdem gegen den Gleichheitssatz. Ein die Ungleichbehandlung rechtfertigender sachlicher Grund liegt weder in der Vermeidung einer Doppelbelastung noch in der Wahrung der Beitragsgerechtigkeit oder des Haushaltsinteresses des früheren oder jetzigen Einrichtungsträgers. Auch im Verfahren 9 C 10.20 aus Sachsen-Anhalt, bei dem es um eine "normale" und nicht um eine hypothetische Festsetzungsverjährung geht, hat das Bundesverwaltungsgericht die Berufungsentscheidung aus den vorgenannten Gründen aufgehoben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.“ (Pressemitteilung Nr. 64/2021 www.bverwg.de/pm/2021/64) In der mündlichen Verhandlung machten die Richter deutlich, dass es sich um schwierige Rechtsfragen handelte und in der Folge praktische Probleme, die aus der Entscheidung resultieren, „vor Ort“ gelöst werden müssten. Die Einrichtungsträger, bei denen nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg durch Beitritt zu einem Zweckverband oder dessen Gründung eine neue Anlage mit einer neuen Beitragspflicht entstanden ist, werden nunmehr die (hypothetisch) verjährten Beitragsansprüche berücksichtigen müssen. Ob dies dazu führt, dass in einem solchen Fall kein Beitrag erhoben werden darf oder die (hypothetisch) verjährten Beitragsansprüche bei einer Veranlagung „angerechnet“ werden müssen, lässt sich noch nicht vorhersagen. Bei einer „Anrechnung“ würde sich das praktische Problem stellen, wie der Anrechnungsbetrag zu ermitteln ist, da bei einer (hypothetischen) Festsetzungsverjährung kein (alter) Beitragsbescheid vorliegt. Insoweit sind die schriftlichen Urteilsgründe und die Umsetzung durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg abzuwarten.

Bundesverfassungsgericht zu Staatshaftung und "Altanschließer"

Das Bundesverfassungsgericht hat am 01.07.2020 einen Beschluss (Az. 1 BvR 2838/19) gefasst, der mit aller Vorsicht als Schlusspunkt in der jahrelangen Auseinandersetzung um Ansprüche wegen Staatshaftung im Zusammenhang mit der Beitragserhebung von „Altanschließern“ angesehen werden darf. Der Beschluss ist für die Aufgabenträger in Brandenburg erfreulich; die Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen. Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofes (BGH) und des Oberlandesgerichts Brandenburg (OLG Brandenburg) zugunsten der Aufgabenträger haben damit Bestand. Die Beschwerde war von jenen Altanschließern eingelegt worden, die auch bereits bis zum Bundesgerichtshof auf Rückzahlung des in der Vergangenheit gezahlten Anschlussbeitrages geklagt hatten. Der BGH hatte im Juni 2019 überraschend den ursprünglichen bestandskräftigen Beitragsbescheid entgegen der Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg für rechtmäßig erklärt und kein rechtswidriges Handeln der Behörde entdecken können. Schon deswegen seien Ansprüche nach dem Staatshaftungsgesetz ausgeschlossen (vgl. unser Rundschreiben vom September 2019). Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat seitdem in zahlreichen Fällen Klagen auf Beitragsrückzahlung mit genau dieser Begründung abgewiesen; allen diesen Klägern blieb nur noch „der Gang nach Karlsruhe“ (also zum Bundesverfassungsgericht). Dort hat man nun alle Einwände als verfassungsrechtlich unbeachtlich eingestuft. Es widerspricht nicht der Verfassung, dass verschiedene Gerichte verschieden urteilen. Es liegt auch kein Verstoß gegen die verfassungsgerichtliche Entscheidung vom 12.11.2015 (1 BvR 2961/14 u.a.) zum Rückwirkungsverbot bei der Anwendung des § 8 Abs. 7 KAGBbg n.F. vor. Hervorzuheben ist noch, dass vom Bundesverfassungsgericht auch die Regelung des § 19 KAG ausdrücklich als verfassungsgemäß bezeichnet wird. Wörtlich heißt es: „Auch die Tatsache, dass die Beitragserhebung … bis zu 25 Jahre nach dem Entstehen der Vorteilslage beziehungsweise bis zum Ablauf des 31. Dezembers 2015 möglich war, stellt keinen Verstoß gegen das Gebot der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes dar.“ Damit haben die Aufgabenträger auch in diesem Punkt nunmehr Klarheit.